Schloßbergmuseum
20. Aug 2017 – 19. Nov 2017

»Kunst dye dich zyret«

»Kunst dye dich zyret«
Fechten als Mittel der persönlichen und institutionellen Repräsentation

Anlässlich des 400. Jahrestages der Musterung der sächsischen Ritterschaft im kurfürstlichen Schloss zu Chemnitz zeigen die Kunstsammlungen Chemnitz – Schloßbergmuseum seltene, reich illustrierte Fechtbücher des 15. bis 18. Jahrhundert. Neben Handschriften und Drucken sind eine Vielzahl von Repräsentations- und Gebrauchswaffen, Grafiken, Kunsthandwerk und Rüstungen zu sehen. Die Ausstellung gibt einen Einblick in die gesellschaftliche Relevanz des Fechtens während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.

An der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit war das Ansehen von Monarchen, Fürsten und Städtebürgern durch die demonstrative Verkörperung ritterlicher Ideale und Tugenden geprägt. Dazu gehörten die Durchführung einer Vielzahl von Körper- und Waffenübungen, von Turnierspielen und realen Kampfhandlungen. Die sogenannten Kampfkünste fanden ihren Ausdruck in den Fechtbüchern und einer überaus reichen Sachkultur.

Kaiser Maximilian (1459–1519) legte großen Wert darauf, bei seinen Zeitgenossen als „letzter Ritter“ in allen Kampfkünsten Anerkennung zu finden. Das Ansehen, das diese Künste genossen, beschränkte sich jedoch nicht mehr nur auf den Adel. Enormen Anteil an der Ausbildung fechterischer Kompetenzen vor allem der Städtebürger hatte die privilegierte Fechtergilde der „Marxbrüder“. Die Gilde stellte ihren erfolgreichen Absolventen Meisterbriefe aus, die wiederum zur Weitergabe fechterischer Kenntnisse und Fertigkeiten berechtigten. Spezialisten in den kommunalen Aufgeboten, wie die „Schlachtschwertierer“ der Chemnitzer Tuchmacher und Leineweber, mussten sich ihre Fähigkeiten im Umgang mit dem Bidenhänder zertifizieren lassen, um als „Doppelsöldner“ ihren gesellschaftlich hoch angesehenen Dienst absolvieren zu können. Die Fähigkeiten der „Schlachtschwertierer“ und anderer Fechter, die mit Degen, Dussack oder Hellebarde fochten, wurden unter begeisterter Anteilnahme der Öffentlichkeit und häufig in Gegenwart des Landesherrn in Schauvorführungen, sogenannten Fechtschulen, demonstriert. Die Schwerttänze der Chemnitzer Tuchknappen gingen ins zünftige Brauchtum ein.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts verschärften sich in Europa jene Spannungen dramatisch, die schließlich zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) führten. Auf dem kurfürstlichen Schloss zu Chemnitz wurde die gesamte sächsische Ritterschaft und vor den Toren der Stadt das städtische Bürgeraufgebot gemustert. Adel und Städtebürger unterlagen seit dem Mittelalter der Pflicht zum Waffendienst im Rahmen von Wehrverfassung und Lehensverpflichtungen. Die Erfüllung dieser Pflicht sorgte für gesellschaftliches Ansehen. Das bedingte die individuelle Befähigung zum Umgang mit der Waffe, letztlich auch die Herausbildung fechterischer Kompetenz. Die Notwendigkeiten, derartige Kompetenzen nachzuweisen, ergaben sich nicht nur aus militärischen Zwängen. Sie fanden ihren Niederschlag in der Rechtspflege, in der Verfassung und im Brauchtum von Zünften und Gilden, im Selbstverständnis und in der Mentalität sowie im Alltag und in der Unterhaltungskultur des Adels und der Städtebürger. Kraftsparendes Fechten aus einer kontrollierten Geisteshaltung heraus wurde als „kvnst“ verstanden und gelehrt. Fechtmeister gaben dieser Kunst durch die Anfertigung von Fechtbüchern Form.

Das Ringen genoss bereits in der Antike ein hohes gesellschaftliches Ansehen, wie etwa seine Thematisierung in Werken der Bildhauerei beweist. Der Autor einer Nürnberger Handschrift stellte 1389 fest, dass alle „Höfischkeit“, also alles „Ritterliche“, vom Ringen her käme und alle Arten des Fechtens daraus abgeleitet wären. Eine der bis heute bedeutendsten mittelalterlichen Ringkampflehren ist die „Ringer kunst: fünff vnd achtzig stücke“, die Fabian von Auerswald (1462–nach 1540) 1537 beendete und die 1539 erstmals in den Druck ging. Vom sächsischen Kurfürst Johann Friedrich (1503–1554) in Auftrag gegeben und von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) illustriert, richtete sie sich an alle Stände. Auerswald wollte den Ringkampf als ganzheitliche Kunst verstanden wissen, die zur Entwicklung von Körper und Geist dient. Wie in den traditionellen asiatischen Kampfkünsten bilden Elemente des Ringkampfes das solide Fundament für die europäischen Kampftechniken mit der
blanken Waffe.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Lehrstuhl für mediävistische Germanistik an der TU Chemnitz.

Der Katalog wurde großzügig gefördert von

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Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel
auf der Grundlage des von den Abgeordneten des
Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.

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